... Manchmal fast nicht auszuhalten…


Da ist ein Dorf am äußersten Rand der Bundelkhand Region. Es ist nur auf holprigen Straßen zu erreichen. Es scheint vergessen von der indischen Regierung, von der Welt.
Das Kastensystem ist in Indien längst verboten, aber es hat dieses Dorf noch fest im Griff. Es gibt zwar nicht mehr das System der vier Kasten, die die Menschen nach Hautfarbe, Beruf und sozialem Status einteilen, aber das Kastensystem ist hier immer noch deutlich zu spüren.
Früher gab es außerhalb der vier Kasten auch noch die Dalit oder Paria, das waren die Unberührbaren, die niedere und schmutzige Arbeiten zu verrichten hatten. Es war verboten mit den Unberührbaren gemeinsam zu essen, sie durften nicht einen Tempel betreten. wer die Unberührbaren berührte, galt als unrein.
obwohl schon 1949 das Kastensystem von der indischen Regierung offiziell verboten wurde, wirkt es heute in manchen abgelegenen Regionen noch genauso stark wie früher. Es gibt noch immer die Unberührbaren, die kaum eine Chance haben ihr Leben eigenständig zu gestalten.
In Bagaurah wohnen etwa 240 Familien der SCs, der schedulded Cast. Das sind Menschen, die den untersten sozialen Status haben, und von der Regierung unterstützt werden müssen. Etwa 240 Familien gehören zu den OBCs, D.h. Other backwards Castes.
schon dieser Name ist Programm, er bedeutet die anderen zurückgebliebenen Kasten.
Etwas besser geht es den GCs, Das ist die
General Caste. Aus der Geschichte heraus war das eine Kaste, der Privilegien zugesprochen wurde. Sie waren Händler, und hatten Zugang zu Bildung. Auch heute haben Sie einen höheren Stand.
Von diesem Familien gibt es etwa 220 in Bagaurah.

Was bedeutet nun dieses System für Bagaurah heute? Eine große Katastrophe!
Abishek, Der verantwortliche Mitarbeiter der indischen Partnerorganisation von Andheri, der das Projekt in Bagaurah betreut erzählt uns von der Situation:
Eine kleine mächtige Gruppe der Höhergestellten unterdrückt alle anderen Familien.
Die verschiedenen Gruppen im Dorf essen nicht gemeinsam und sitzen nicht gemeinsam zur Versammlung zusammen.
An den wenigen Trinkwasserstellen im Dorf haben die oberen Kasten natürlich den Vorrang, die anderen müssen warten. Die Männer der oberen Kasten nehmen für sich selbstverständlich in Anspruch, die anderen zu beherrschen. Das beinhaltet auch den Missbrauch junger Mädchen und Frauen.
Die Familien der missbrauchten Mädchen und jungen Frauen haben keine Chance das zur Anklage zu bringen, denn dieses Verbrechen wird nicht weiter verfolgt, ja sie laufen sogar Gefahr, auch von Angehörigen der Polizei weiter missbraucht zu werden. Eine unvorstellbare schreckliche Situation. Sie führt sogar dazu, dass Eltern ihre Kinder nicht zum Wasserholen in entferntere Gegenden schicken.
in den Dörfern der Bundelkandh-Region gibt es grundsätzlich wenig Arbeit. In diesem Dorf ist die Arbeitslosigkeit hoch, viele Männer und sogar Jungen beginnen schon am frühen Morgen zu trinken und Tabak zu kauen, um ihre hoffnungslose Situation zu vergessen. Das hat zur Folge dass sie noch hemmungsloser die unter ihnen stehenden Familien unterdrücken und schikanieren.

Es herrscht in diesem Dorf eine Atmosphäre der Angst und des Misstrauens. Diese Atmosphäre ist bei unserem Besuch deutlich zu spüren.




Und nun sitzen wir plötzlich unter diesen Menschen und spüren die Anspannung trotz der festlichen Stimmung die sie für uns vorbereitet haben.


Obwohl in diesem Dorf circa 3000 Menschen leben, sitzen um uns herum nur etwa 200. Direkt vor uns sitzt eine Gruppe junger Frauen und Mädchen. Als erstes aber spricht ein Mann, der uns erzählt was seit dem ProjektBeginn im April 2019 sich in diesem Dorf schon entwickelt hat. Er spricht von Trinkwasserbrunnen, der Entwicklung des Bewusstseins für Hygiene und Gesundheit. Das hört sich für uns zunächst alles ganz gut an, aber dann kommen die Frauen zu Wort. Sie erzählen uns mutig aber doch aufgeregt, dass es hier keine gute Umgebung für ihre Familien, vor allem für ihre Töchter sei. Sie haben Angst um sich selbst und ihre Mädchen. Sie haben Angst vor der Willkür der Männer aus den hören Kasten.


Diese Frau erzählt uns, dass die Praxis der Bestechung jede Anzeige eines Missbrauchverbrechens zunichte macht.
mit zitternder aber doch mutiger Stimme fordert sie, dass das abgeschafft werden muss.
Und wer klatscht als erster kräftig Beifall? Ein kleiner Junge aus der Reihe der Männer die etwas abseits stehen. Das sagt so viel!

Die Andheri Hilfe engagiert sich in diesem Dorf, um gerade diesen, von der Welt vergessenen Menschen zu helfen, sich zu organisieren und sich gegen diese Ungerechtigkeit zur Wehr zu setzen.
die ersten zarten Pflänzchen dieser Projektarbeit sind bereits zu spüren. Denn jetzt kommen die Mädchen zu Wort:
die Kinder haben bereits ein Kinder-Parlament gegründet, das sogenannte Balmanch. Dort lernen Sie über ihre Gefühle zu sprechen, ihre Ängste zu artikulieren, und ihre Sorgen zu teilen. Das gibt ihnen das Gefühl, nicht alleine zu sein und stärkt sie sehr. Ein junges Mädchen, die Präsidentin der Mädchen Gruppe, spricht lange und intensiv über die Situation. Es gibt eine Schule bis zur achten Klasse. Die weiterführende Schule ist 35 km entfernt, dort hin gelangen die wenigsten. Die Eltern schicken ihre Kinder nicht diesen weiten Weg, vor allem nicht ihre Töchter aus Angst vor Überfällen.




Wir entdecken in ihrer Jackentasche einen Stift. Das erscheint uns hier wie das Symbol für Bildung zu sein. Dieses Mädchen ist in der elften Klasse, möchte unbedingt den Schulabschluss machen und weiter studieren. Das trauen wir ihr absolut zu.
Dann spricht Akshit, er ist 10 Jahre alt und begeistert, zur Schule zu gehen. Er ist Präsident des Kinderparlamentes. Auch er hat das Symbol für Bildung in den Händen:



Das alles sind allererste Zeichen dafür, dass sich auch in diesem Dorf, das es so schwer hat, etwas ändert. Der Schlüssel für diesen Wandel sind tatsächlich die Frauen und Mädchen. Die Frauen erziehen die Kinder auch die Jungen, und die nächste Generation hat eine Chance auf die Entwicklung einer echten Dorfgemeinschaft ohne Angst und Schrecken und Unterdrückung. Dieser Weg ist weit, das Ziel noch in weiter Ferne.









Abends bei unserem Nachgespräch mit in den Mitarbeitern der Hilfsorganisation hier in Indien frage ich Abishek:“ glaubst du, dass es in Bagaura eine Veränderung geben kann angesichts dieser schrecklichen Situation?„
seine Antwort lautet:“ “ natürlich, komm in zehn Jahren wieder, dann werden die Männer der obersten Kasten für euch und alle Menschen dieses Dorfes kochen und ein großes Fest ausrichten!„
mehr Hoffnung geht nicht!
Mein Lieblingsbild aus diesem Dorf ist dieses hier, ich habe es genannt:
Vergangenheit und Zukunft!
