Vinita, eine mutige Frau

Vinita lebt in Samdai. Das ist ein kleines Dorf im Nirgendwo im Distrikt Madhya Pradesh.
Wir sitzen gemeinsam mit der Dorfgemeinschaft im Versammlungshaus auf dem Boden. Die ersten beiden Reihen uns gegenüber füllen die Männer.



Wir haben auch einige Zaungäste.

Der Dorfvorsteher erzählt über die Situation im Dorf, in dem erst seit September 2019 die Andheri Hilfe gemeinsam mit der indischen Organisation WOTR aktiv ist.
Die Diskussion wird immer lebhafter, aber es melden sich nur Männer zu Wort.
Von uns kommt der Wunsch, dass auch Frauen sprechen sollen.
Und nun steht Vinita auf:

Sie beginnt zu berichten. Die Worte können wir nicht verstehen, ihr Anliegen erahnen wir:



Der Dolmetscher übersetzt für uns: „ Wir haben keine Toiletten, die Hygiene im Dorf, vor allem für die Kinder, ist mangelhaft. Die Qualität der Ernährung ist schlecht.“


„Wir haben zwar eine Schule, aber die ist nicht gut. Wir haben kaum Lehrer, und die, die da sind, sind schlecht ausgebildet. Viele Kinder kommen nicht regelmäßig in die Schule.


Vinita lässt sich nicht bremsen, auch wenn der Dorfvorsteher versucht abzuwiegeln. Frauen klatschen.

Und der Dometscher übersetzt ihre Rede weiter für uns:“Es gibt ein Alkoholproblem und auch Drogen im Dorf. Es gibt zu wenig Arbeit hier und gar keine für die Frauen. In der Zeitvon Oktober bis Februar gibt es gar keine Arbeit.


Viele Familien verdienen etwas Geld durch das Herstellen von Beedies, Zigaretten aus Blättern gerollt. Sogar 10-jährige Kinder beginnen mit Tabakkauen, weil sie viel zu viel Zeit sich selbst überlassen sind.
Die Selbsthilfegruppen funktionieren nicht.


Es klingt wie ein flehentlicher und aufrüttelnder und doch charmanter Aufruf an ihre Mitdorfbewohner - und Bewohnerinnen und auch an uns.
Wir sind betroffen von dieser Situation, die fast ausweglos erscheint und doch tief beeindruckt von dieser so mutigen jungen Frau, die sich nicht fügen will in dieses Schicksal.
Vinita ist 24 Jahre alt und lebt mit ihren Eltern in Samdai, 80km von Jabalpur entfernt. Sie ist Kinderpflegerin und arbeitet in einer staatlichen Kinderkrippe für Kinder von 0-5 Jahren. Sie beaufsichtigt die Kinder und achtet darauf, dass sie gut und gesund ernährt werden. Wenn das nicht möglich ist, meldet sie es den Eltern und dem Krankenhaus. Sie besorgt für die betroffenen Kinder Rezepte für Eiweiß - Pulver, das die Eltern ihren Kindern dann geben sollen.
Sie informiert die Eltern über die Folgen von schlechter Ernährung.
Die Eltern müssen allerdings selbst zum Krankenhaus fahren. Bei den Eltern, die nicht dazu bereit sind, bleibt sie solange dran, bis sie ihren Kindern helfen. Vinita hat die 12. Klasse abgeschlossen, was für Mädchen aus diesen Dörfern ungewöhnlich ist.
Wir haben sie gefragt, was ihr Träume für die Zukunft sind.

„Ich habe keine Träume. Da ich kein Geld habe, kann ich mir nicht erlauben Träume zu haben.“
Wir fragen sie, was ihre Träume wären, wenn sie Geld hätte??
Vinita: „Ich träume davon Ärztin zu werden.“

Tief bewegt verabschieden wir uns von Vinita